Nach der Neuregelung in § 3 Nr. 72 des Einkommensteuergesetzes (EStG) werden rückwirkend nach dem 31. Dezember 2021 erzielte oder getätigte Einnahmen aus dem Betrieb von kleinen Photovoltaikanlagen steuerfrei gestellt. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat in einem Anwendungsschreiben hierzu jetzt wichtige Zweifelsfragen beantwortet.
Die Grundsätze des BMF-Schreibens gelten für alle Einnahmen und Entnahmen, die nach dem 31. Dezember 2021 erzielt oder getätigt werden. Dies gilt auch in den Fällen eines vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahrs. Die zeitliche Zuordnung richtet sich nach der Art der Gewinnermittlung (z. B. bei einer Einnahmenüberschussrechnung nach dem Zu- und Abflussprinzip).
Tipp: Die Steuerbefreiung gilt für natürliche Personen, Mitunternehmerschaften und Körperschaften.
Werden in einem Betrieb nur steuerfreie Einnahmen aus dem Betrieb von begünstigten Photovoltaikanlagen erzielt, braucht hierfür kein Gewinn mehr ermittelt zu werden. Es muss damit auch keine Einnahmenüberschussermittlung mehr erstellt werden sowie keine „Anlage EÜR” und keine „Anlage G” abgegeben werden. Die Frage, ob steuerlich eine Liebhaberei vorliegt, stellt sich dann überhaupt nicht mehr.
Ein großer Vorteil ist zudem, dass bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften – z. B. bei einer Vermietungs-GbR – der Betrieb von Photovoltaikanlagen, die die begünstigten Anlagengrößen nicht überschreiten, nicht zu einer gewerblichen Infektion der Vermietungseinkünfte führt. Vermögensverwaltende Personengesellschaften können somit bereits rückwirkend ab 2022 ohne steuerliche Nachteile auf ihren Mietobjekten kleine Photovoltaikanlagen installieren und ihre Mieter mit selbst produziertem Strom versorgen.
Zwei Fallgruppen sind zu unterscheiden.
Das sind zum einen Photovoltaikanlagen auf Einfamilienhäusern – einschließlich Dächern von Garagen und Carports und anderen Nebengebäuden – sowie auf nicht Wohnzwecken dienenden Gebäuden wie z. B. auf Gewerbeimmobilien oder Garagenhöfen. Diese Photovoltaikanlagen sind steuerfrei bis zu einer Bruttonennleistung von 30 Kilowatt peak (kWp).
Die zweite Fallgruppe sind Photovoltaikanlagen auf sonstigen Gebäuden wie z. B. auf Mehrfamilienhäusern und auf gemischt genutzten Immobilien. Einnahmen aus diesen Anlagen sind steuerfrei bis zu einer Bruttonennleistung von 15 kWp je Wohn- und Gewerbeeinheit.
Die Steuerbefreiung gilt bei mehreren Anlagen bis maximal 100 kWp. Mit dieser Regelung sollen Gestaltungsmissbräuche verhindert bzw. eine Grenze gezogen werden, ab der die gewollte Förderung einer Privatperson endet und die gewerbliche Zielsetzung der Stromerzeugung im Vordergrund steht.
Begünstigt sind – so das BMF – mit Gewinnerzielungsabsicht betriebene Photovoltaikanlagen, die sich auf, an oder in dem jeweiligen Gebäude befinden (einschließlich Nebengebäude, wie z. B. Gartenhäuser, Garagen, Carports). Begünstigt sind auch dachintegrierte und sog. Fassadenphotovoltaikanlagen. Freiflächen-Photovoltaikanlagen sind unabhängig von ihrer Größe nicht begünstigt.
Begünstigte Photovoltaikanlagen liegen z. B. in folgenden Fällen vor:
Keine begünstigte Photovoltaikanlage liegt z. B. in folgenden Fällen vor:
Tipp: Es ist nicht erforderlich, dass der Betreiber der Photovoltaikanlage auch Eigentümer des Gebäudes ist, auf, an oder in dem sich die Photovoltaikanlage befindet.
Von der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 EStG umfasst sind Einnahmen und Entnahmen unabhängig von der Verwendung des von der Photovoltaikanlage erzeugten Stroms.
Zu den Einnahmen gehören insbesondere
Entnahmen liegen vor, wenn der Strom für betriebsfremde Zwecke verwendet wird, z. B.:
Tipp: Der Gewinn oder Verlust aus der Veräußerung oder Entnahme einer Photovoltaikanlage aus einem Betriebsvermögen eines Betriebs, der nur steuerfreie Einnahmen und Entnahmen nach § 3 Nr. 72 EStG erzielt, fällt unter die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 72 EStG.
In einem ersten Schritt ist für den Steuerpflichtigen oder die Mitunternehmerschaft zu prüfen, ob die maßgeblichen Leistungen der von ihm oder ihr betriebenen Photovoltaikanlagen die für die jeweilige Gebäudeart zulässige Größe pro Gebäude einhalten.
Im zweiten Schritt ist zu prüfen, ob der jeweilige Steuerpflichtige oder die jeweilige Mitunternehmerschaft insgesamt die 100-kWp-Grenze einhält. Dabei sind die maßgeblichen Leistungen aller nach § 3 Nr. 72 EStG begünstigten Photovoltaikanlagen, die vom Steuerpflichtigen oder der Mitunternehmerschaft auf, an oder in Gebäuden betrieben werden, für die Ermittlung der 100-kWp-Grenze zu addieren. Das gilt sowohl für Anlagen, die sich auf demselben Grundstück befinden, als auch für Anlagen auf verschiedenen Grundstücken. Dabei ist unerheblich, ob die Anlagen technisch voneinander getrennt sind.
Die Inanspruchnahme von Investitionsabzugsbeträgen nach § 7g EStG setzt eine betriebliche Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht und damit mit prognostiziertem Totalgewinn voraus. Werden in diesen Fällen Einnahmen und Entnahmen ausschließlich aus der Stromerzeugung von Photovoltaikanlagen erzielt, die nach § 3 Nr. 72 EStG begünstigt sind, scheidet in nach dem 31. Dezember 2021 endenden Wirtschaftsjahren die Inanspruchnahme von Investitionsabzugsbeträgen aus, da ein Gewinn nicht mehr zu ermitteln ist.
Investitionsabzugsbeträge, die in vor dem 1. Januar 2022 endenden Wirtschaftsjahren in Anspruch genommen und bis einschließlich zum 31. Dezember 2021 noch nicht gewinnwirksam hinzugerechnet wurden, sind nach der Meinung der Finanzverwaltung nach § 7g Abs. 3 EStG rückgängig zu machen, wenn in nach § 3 Nr. 72 EStG begünstigte Photovoltaikanlagen investiert wurde.
Alle Betriebsausgaben, die in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang mit dem (ggf. zukünftigen) Betrieb von nach § 3 Nr. 72 EStG begünstigten Photovoltaikanlagen stehen, sind nach Maßgabe des § 3c Abs. 1 EStG nicht abzugsfähig.
Tipp: Ein Betriebsausgabenabzug in Veranlagungszeiträumen vor 2022 bleibt unberührt.
Bei im Übrigen vermögensverwaltend tätigen Mitunternehmerschaften, die bislang nur aufgrund des Betriebs einer oder mehrerer Photovoltaikanlagen i. S. d. § 3 Nr. 72 EStG gewerblich infiziert waren, sind sämtliche Wirtschaftsgüter, insbesondere die Gebäude, auf, an oder in dem sich eine Photovoltaikanlage befindet, mit Ausnahme der Photovoltaikanlagen in 2022, zu entnehmen.
Tipp: Aus Vertrauensschutzgründen wird von einer Entnahme abgesehen, wenn die Verstrickung der stillen Reserven bis zu 31. Dezember 2023 aus anderen Gründen wiederhergestellt ist.
Was die Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen gem. § 35a EStG angeht, ist nach dem aktuellen BMF-Schreiben bei Photovoltaikanlagen, die die Voraussetzungen des § 3 Nr. 72 EStG erfüllen und die auf, an oder in zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäuden montiert sind, zu unterstellen, dass diese bereits ohne Gewinnerzielungsabsicht betrieben werden.
Tipp: Bei Vorliegen der allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen kann daher bei der Montage von Photovoltaikanlagen die Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen gewährt werden.