Ein Unfall auf dem Weg zur Arbeit oder nach Hause – schon stellt sich die Frage, wie es mit dem Versicherungsschutz aussieht. Wann handelt es sich um einen Unfall und wann sprechen wir von keinem Unfall? Welche Ausnahmen zum „direkten Weg“ gelten? Wie ist die Rechtslage im Homeoffice und wie verhält sich das Recht bei Dienstreisen, die von zu Hause oder direkt nach Hause führen? Wie steht das Gesetz zu einem vorübergehend anderen, als dem sonst üblichen Arbeits- oder Dienstort? Diesen Fragen wollen wir im Folgenden nachgehen.
Ein Arbeitnehmer genießt grundsätzlich Versicherungsschutz auf dem Weg von und zur Arbeit. Aber was genau versteht man eigentlich unter dem Begriff „Arbeitsweg“? Der Weg des Arbeitnehmers zu seiner Arbeit beginnt mit dem Verlassen des Hauses, in dem er wohnt. Er endet mit dem Betreten des Firmengeländes. Sollte er auf diesem Gelände einen Unfall erleiden, gilt dieser nicht als Wegeunfall, sondern gegebenenfalls als gewöhnlicher Arbeitsunfall.
Das Gesetz verlangt nicht, sich den kürzesten Weg von und zur Arbeit auszusuchen. Es muss noch nicht einmal der direkte Weg sein. Jeder Arbeitnehmer kann auch beispielsweise eine längere, dafür aber ruhigere Strecke wählen. Auch steht es ihm frei, welches Verkehrsmittel er nutzt. Versichert ist er in allen Situationen, die sich durch den gewählten Weg ergeben, also beispielsweise Wartezeiten an der Ampel oder an der Bushaltestelle bei Nutzung des ÖPNV. Anders sieht es aus, wenn er den Weg unterbricht, um persönliche Dinge zu erledigen; wenn er beispielsweise private Päckchen zur Post bringt oder seine privaten Einkäufe erledigt. Auch wenn er zwischendurch einen Imbiss einnimmt, besteht während dieser Zeitspanne kein Versicherungsschutz. Dieser greift erst wieder, wenn der Weg zur Arbeit fortgesetzt wird.
Nach einem Urteil des Bundessozialgerichts vom 30.01.2020 (Az.: B 2 U 9/18 R) ist das Tanken auch auf einem direkten Arbeitsweg nicht mehr versichert. Selbst dann nicht, wenn das Fahrzeug für den weiteren Arbeitsweg betankt werden muss. Denn, so die Begründung des Gerichts, diese Tätigkeit stelle keine geringfügige Unterbrechung des Arbeitsweges dar. Zum Tanken müsse man anhalten, aus dem Auto aussteigen, tanken und bezahlen. Dies sei eine vom Arbeitsweg deutlich unterscheidbare Handlungssequenz.
Die rechtliche Praxis hat sich insofern also zum Nachteil der Arbeitnehmer verändert.
Ein abweichender Weg ist oft kein Problem. Zum Beispiel, wenn Kinder wegen der Arbeit zu ihrer Betreuung gebracht werden müssen. Der Weg zur Tagesmutter, zu den Großeltern oder dem Kindergarten ist versichert. Das gilt auch dann, wenn man anschließend wieder nach Hause zurückkehrt, um die Arbeit im Homeoffice zu erledigen.
Auch bei Fahrgemeinschaften ist ein abweichender Weg gestattet, bei Umleitungen und wenn der direkte Weg aufgrund besonderer Umstände nicht gewählt werden kann.
Wenn ein anderer als der übliche Arbeitsort erreicht werden soll, oder wenn es sich um eine Dienstreise handelt, ist der Weg zwischen der Wohnung und der Unterkunft am Beschäftigungsort versichert.
Ein Unfall ist definiert als ein zeitlich eingrenzbares Ereignis, das von außen auf den Körper einwirkt und zu einer Schädigung der Gesundheit führt. Also beispielsweise ein Verkehrsunfall. Ein medizinischer Notfall hingegen muss für sich genommen nicht durch ein von außen kommendes Ereignis ausgelöst werden, auch wenn ein Unfall einen medizinischen Notfall nach sich ziehen kann. Die Unfallversicherung greift jedoch nur bei einem echten Unfall. Wenn der Arbeitnehmer beispielsweise ohne äußeren Anlass einen Herzinfarkt erleidet, spricht man nicht von einem Unfall.
Auch der Weg in die Pause untersteht in der Regel der gesetzlichen Unfallversicherung. Das gilt jedoch nur dann, solange der Arbeitnehmer keine privaten Dinge erledigen möchte. Der Versicherungsschutz gilt auch nur für den Weg zur Kantine, Restaurant oder sonstigem Aufenthalt. Der Aufenthalt selbst ist nicht versichert. Die Mittagspause steht somit unter eigenem Risiko.
Die gesetzliche Unfallversicherung greift auch im Homeoffice. Wer jedoch einen umfassenden Schutz möchte, muss sich privat versichern. Gesetzlich versichert ist ein Unfall im Homeoffice nur, wenn er in einem direkten Zusammenhang mit der Tätigkeit steht. Der Versicherungsschutz hat im Homeoffice inzwischen denselben Umfang wie an einem normalen Arbeitsplatz in der Firma. So ist zum Beispiel der Weg in die Küche versichert. Die Pause in der Küche selbst jedoch nicht. Unfälle auf dem Weg von und zur Kita sind ebenso versichert. In der bisherigen Rechtssprechung war das noch anders. So hat vor Kurzem noch das Bundessozialgericht entschieden, dass ein Arbeitnehmer auf dem Weg zur Toilette nicht versichert ist. Seit Juni 2021 trat jedoch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz in kraft, das für einen erweiterten Schutz der Beschäftigten sorgt. Ein aktuelleres Urteil des BSG vom 8.12.2021 trägt diesem neuen Umstand nun auch Rechnung (Aktenzeichen: B 2 U 4/21 R).