Der Gesetzgeber krempelt das bewährte Wohnungseigentumsrecht umfassend um. In der Tendenz werden die gesellschaftsrechtlichen Elemente gestärkt, die eigentumsrechtlichen Komponenten geschwächt.
Die „Versteinerung“ vieler Gebäude durch Sanierungsstau und Modernisierungsverweigerung gab den Anstoß zur Reform. Bei den Beratungen wurden die Ziele ausgeweitet. Es sollen jetzt, unter anderem, auch Eigentümerversammlungen vereinfacht und die Befugnisse des Verwalters gestärkt werden. Der Gesetzesentwurf der Regierung ist deshalb im Parlament auf Kritik gestoßen. Hier einige der Bereiche, die für Wohnungseigentümer von Bedeutung sind.
Die bisherige Regelung in § 22 WEG ist kompliziert und unübersichtlich. Schon das schreckt Verwalter davon ab, Maßnahmen der Modernisierung, der modernisierenden Instandhaltung oder gar der baulichen Veränderung in der Wohnungseigentümerversammlung zu tragen.
Nach derzeitiger Rechtslage können bauliche Maßnahmen, die sich nicht auf eine bloße (gegebenenfalls modernisierende) Instandsetzung beschränken, nicht beschlossen werden, wenn auch nur ein Eigentümer widerspricht, der durch die Maßnahme benachteiligt würde.
Künftig sollen bauliche Maßnahmen mit einfacher Mehrheit beschlossen werden können. Gemeint sind damit nicht nur die Installation von Elektroanschlüssen in der Garage oder von Aufzügen im Treppenhaus. Auch Anliegen einzelner Eigentümer, beispielsweise die Verglasung der Terrasse, der Einbau von Wintergärten, der Vergrößerung von Fenstern kann mit einem einfachen Mehrheitsbeschluss entsprochen werden. Ein Recht des Erwerbers darauf, dass die Wohnungseigentumsanlage in der Form erhalten bleibt, wie im Zeitpunkt des Kaufs, wird es nicht mehr geben.
Ergänzt wird die neue Regelung durch die Möglichkeit, dass die Wohnungseigentümer künftig flexibel über die Kostenverteilung solcher Maßnahmen beschließen können. Bisher war umstritten, ob die Kosten für den Einbau neuer Fenster auf die jeweiligen Wohnungseigentümer nach Wohnungen verteilt werden kann oder ob die Gemeinschaft sie insgesamt tragen muss. Künftig werden die Wohnungseigentümer mehrheitlich beschließen, dass jeder Eigentümer für eigennützige Maßnahmen selbst zahlen muss.
Verwalter sollen künftig in größerer Eigeninitiative entscheiden können. Sie werden in erheblichem Umfang von der Pflicht, sich durch Beschlüsse zu legitimieren, befreit werden. Das ist ein deutlicher Machtzuwachs für den Verwalter zu Lasten der Eigentümer.
Konkrete Grenzen der Befugnisse zeigt das neue Gesetz nicht auf. Es spricht von Maßnahmen, über die eine Beschlussfassung durch die Eigentümer nicht geboten sei. Wenn das Gesetz so verwirklicht wird, liegt es an der Rechtsprechung, den Bereich auszuloten, in dem eine Beschlussfassung der Eigentümer entbehrlich ist. Jedenfalls geht der neue Begriff erheblich über den bisherigen Begriff der laufenden Verwaltung hinaus, die der Verwalter bisher in eigener Verantwortung regeln kann.
Immerhin sieht das Gesetz als Ausgleich dafür vor, dass der Verwalter jederzeit mit einfacher Mehrheit abberufen werden kann. Ein wichtiger Grund für die Abberufung wird also nicht mehr nötig sein. Ob der Verwalter für die Zeit nach der Abberufung eine Vergütung erhält, richtet sich nach dem Verwaltervertrag. Daher besteht die Notwendigkeit, die Verwalterverträge auf Änderungsbedarf zu prüfen.
Nach jetziger Regelung ist die Eigentümerversammlung nur beschlussfähig, wenn die anwesenden Wohnungseigentümer mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile repräsentieren.
Diese Grenze soll ersatzlos wegfallen. Eine Eigentümerversammlung wird beschlussfähig sein, wenn auch nur ein einziger Eigentümer zur Versammlung erscheinen, selbst wenn ihm nur ein Tiefgaragenstellplatz gehört.
Umlaufbeschlüsse im schriftlichen Verfahren sollen künftig nicht mehr schriftformbedürftig sein. Es genügt die Abstimmung in Textform.
D.h., dass auch per E-Mail, per SMS, per WhatsApp oder über die Kommunikationsformen der sozialen Medien Stimmabgaben künftig möglich sein werden. Es gibt sogar Bestrebungen, wonach einem Umlaufbeschluss nicht mehr alle Eigentümer zustimmen müssen, sondern die Beschlussfassung auch in dieser Form mit einfacher Mehrheit erfolgen kann. Das ist ein weiterer Durchstich, um zu Resultaten auch gegen den Minderheitswillen zu kommen.
Der Verwalter muss künftig nicht mehr schriftlich einladen, sondern kann sich ebenfalls der elektronischen Medien bedienen. Eigentümer sollten also auf geladene Handy-Akkus achten.
Das Versammlungsprotokoll muss künftig unverzüglich nach der Versammlung erstellt und den Eigentümern übersandt werden. Selbstverständlich genügt auch hier die elektronische Form.
Die Beschluss-Sammlung wird entfallen – eine große Erleichterung für alle Verwalter.
Ein großes Ärgernis stellt bisher der Zwang dar, im Falle einer Beschlussanfechtung gegen alle übrigen Wohnungseigentümer klagen zu müssen – selbst gegen diejenigen Wohnungseigentümer, die mit dem Anfechtungskläger gegen den Beschluss gestimmt haben. Das hat für Unfrieden in der Gemeinschaft gesorgt.
Der Gesetzentwurf sieht jetzt vor, dass künftig Anfechtungsklagen gegen den Verband gerichtet werden müssen. Das erleichtert die Prozessführung, verursacht jedoch bei Rechtsanwälten, die die Beklagten Wohnungseigentümer vertreten, einen erheblichen Gebührenverlust, weil dann die Mehrvertretungsgebühr entfällt.
Auch wenn noch viele Einzelfragen des Regierungsentwurfs umstritten sind, wird das neue Gesetz erhebliche Veränderungen für die Wohnungseigentümer bringen. Sie verlieren an Einfluss und sind verstärkt den Entscheidungen der einfachen Mehrheit in der Wohnungseigentümerversammlung ausgesetzt. Der Verwalter erhält eine deutlich größere „Beinfreiheit“.
Damit nähert sich die Wohnungseigentümergemeinschaft von ihrem Ausgangspunkt als eine Mehrheit von Immobilieneigentümern immer mehr der Rechtsform einer wirtschaftlich tätigen Gesellschaft an.
Ob man dies nun begrüßt oder ablehnt: Die Wohnungseigentümer werden damit leben müssen und sich künftig noch besser um die Wahrung ihrer eigenen Rechte kümmern – vor allem mit fachanwaltlicher Hilfe.