Immobilienerwerb aus der Zwangsversteigerung - Chancen und Risiken.
Im Jahr 2011 wurden in Deutschland 73.038 Immobilien zwangsversteigert. Davon waren 34,1 Prozent Ein- und Zweifamilienhäuser, 32,2 Prozent Eigentumswohnungen, 26 Prozent Wohn- und Geschäftshäuser, 5,9 Prozent Grundstücke und 1,7 Prozent Garagen. Für Kaufinteressenten, die von den eigenen vier Wänden träumen oder ein Renditeobjekt für die Altersvorsorge im Auge haben, bieten Immobilien aus der Zwangsversteigerung günstige Gelegenheiten zum Erwerb.
Wer in einer Zwangsversteigerung bieten möchte, muss sich klar sein, dass einer anderen Person die Immobilie zwangsweise weggenommen wird und er mit seinem Gebot dazu einen Beitrag leistet. Blindes Bieten ist gefährlich. Jeder Bietinteressent sollte abklären, woran der Voreigentümer gescheitert ist, ob er die Spielregeln einer Zwangsversteigerung versteht, die tatsächliche und rechtliche Situation des Objekts abgeklärt hat und finanzielle und zeitliche Reserven hat, um eine sich aus dem Erwerb eventuell ergebende, problematische Situation zu überbrücken.
Ein solches Wertgutachten ist öffentlich einsehbar. Abschriften sind gegen Kostenerstattung bei Gericht erhältlich. Der ermittelte Verkehrswert entspricht in aller Regel nicht dem Wert, den der Eigentümer im freihändigen Verkauf erzielen könnte und liegt bei einer Zwangsversteigerung in der Praxis meist zwischen 50 und 200 Prozent des Marktwerts. Konnte der Gutachter das Objekt nicht von innen besichtigen, erfolgt die Einschätzung nach Gutdünken. Im Wertgutachten schließt der Gutachter jegliche Gewährleistung aus und haftet nach der Rechtsprechung auch nicht für grobe Fehleinschätzungen.
Bietinteressenten sind gut beraten, ein ins Auge gefasstes Objekt vor einem Gebot in der Zwangsversteigerung zu besichtigen. Verweigert der Eigentümer den Zutritt, kann der Bietinteressent kein Besichtigungsrecht durchsetzen. Der Eigentümer oder ein eventuell bestellter Zwangsverwalter müssen auch keinerlei Auskünfte erteilen.
Als Bieterinteressent muss man wissen, dass der Hauseigentümer bis zur Erteilung des Zuschlags im Zwangsversteigerungsverfahren faktisch mietfrei im Objekt wohnt. Zwar ist der Zuschlag zugleich Vollstreckungstitel, bedingt aber trotzdem, dass der Eigentümer unter Umständen zwangsweise aus dem Objekt geräumt werden muss. Ist das Objekt vermietet, muss der Ersteher ordentlich kündigen und gegebenenfalls auf Räumung klagen und zwangsweise räumen.
Oft lassen zur Zwangsversteigerung erstellte Gutachten wichtige Aspekte wie Feuchtigkeit, Hausbock, absackender Untergrund, Lärm- und Geruchsbelästigungen in der Umgebung oder die Lage in einem sozialen Brennpunkt außer acht. Eine unzureichende Baugenehmigung, der fehlende Anschluss an die Straße beziehungsweise an die Kanalisation oder Altlasten im Boden werden im Gutachten teils nur angerissen oder unzureichend beschrieben. Für rückständige Grundsteuern haftet der Ersteher zusammen mit dem bisherigen Eigentümer.
Problematisch sind Bestandteile und Zubehör des Grundstücks. Nicht immer ist klar, ob diese mit ersteigert werden oder infolge eines nur vorübergehenden Einbaus vom Voreigentümer entnommen werden dürfen. Typischer Streitfall sind die Einbauküche oder das Gartenhaus, die Markise auf der Terrasse und der Holzofen im Wohnzimmer.
Der Ersteher wird in der Zwangsversteigerung mit dem Zuschlag Eigentümer. Wenn sich der frühere Eigentümer allerdings zur Wehr setzt oder Mieter den Auszug verweigern, kann der Käufer auf das Objekt oft erst sehr viel später zugreifen. Er riskiert, mit seinem Finanzierungsplan in Verzug zu geraten. Vielleicht muss er aus seiner Mietwohnung vorzeitig ausziehen, kann aber in das erworbene Haus nicht einziehen.
Vorteilhaft ist, dass der Erwerb in der Zwangsversteigerung durch Gerichtsbeschluss erfolgt und keine notarielle Beurkundung erforderlich ist. Die Grunderwerbsteuer ist zu bezahlen. Ein Gebot in der Zwangsversteigerung wird nur erteilt, wenn der Bietinteressent zehn Prozent des festgesetzten Verkehrswerts als Sicherheitsleistung bei Gericht hinterlegt. Barzahlungen sind nicht mehr erlaubt, allenfalls bankbestätigte Schecks, Bankbürgschaften oder die vorherige Überweisung an die Gerichtskasse. Wer für andere bietet, benötigt eine notariell beglaubigte Vollmacht.
Die Gebote müssen sich an gesetzlich bestimmten Wertgrenzen orientieren. Das Mindestgebot im ersten Termin beträgt 50 Prozent des Verkehrswertes, sofern der Gläubiger das Gebot nicht zurückweist. Im zweiten Termin entfallen die Wertgrenzen, so dass ein Objekt faktisch zu jedem Gebot versteigert werden kann.