Bei Abweichung von Herstellervorschriften im Zuge der Ausführung der Werkleistung stellt sich die Frage, welche rechtlichen Konsequenzen diese hat. Damit geht die Frage einher, ob bei Abweichung von Herstellervorschriften sofort ein Mangel vorliegt.
Bislang fehlt es an einer grundsätzlichen Einordnung dieser Problematik innerhalb des Systems des werkvertraglichen Sachmangelrechts. Deshalb soll nachfolgend dargestellt werden, wann die Verletzung von Herstellervorschriften Bedeutung für die Mangelbeurteilung erlangen kann. Die Herstellervorschriften sind nicht mit den anerkannten Regeln der Technik gleich zu setzen. Der Verstoß gegen Herstellervorschriften allein begründet grundsätzlich noch keinen Mangel. Dennoch ist größte Vorsicht geboten, da genug einschlägige Rechtsprechung vorliegt, die bei Abweichung von Herstellervorschriften einen Mangel annimmt.
Wenn Herstellervorschriften Gegenstand einer ausdrücklichen Beschaffenheitsvereinbarung sind, so liegt ein Mangel vor, wenn die Herstellervorgaben ausdrücklich im Text des Leistungsverzeichnisses erwähnt sind. Dann gehören diese Herstellervorschriften zum Inhalt der geschuldeten Leistung des Auftragnehmers.
Herstellervorschriften können auch Gegenstand einer stillschweigenden Beschaffenheitsvereinbarung sein, wenn die Einhaltung der Herstellervorschrift dem Auftraggeber unabhängig vom Erfolg erkennbar besonders wichtig war. Dies wird angenommen, wenn der Auftraggeber im Zuge der Vertragsverhandlung auf die Verarbeitungsrichtlinien eines bestimmten Herstellers besteht oder in seinem Leistungsverzeichnis auf diese Verarbeitungsrichtlinien des bestimmten Herstellers hinweist.
Dann wird man davon ausgehen müssen, dass dem Auftraggeber die Einhaltung der Herstellervorschrift besonders wichtig ist.
Deshalb sollte sich der Auftragnehmer dringend an die Vorgaben des Leistungsverzeichnisses halten und keine eigenmächtigen Abweichungen vom Wortlaut des Leistungsverzeichnisses vornehmen.
In der Baupraxis kommt es häufig vor, dass Auftragnehmer hingehen und einen nach dem Vertrag vorgesehenen Systemaufbau eigenmächtig ändern, da es aus wirtschaftlichen Gründen opportun ist, nach Vertragsschluss zum Beispiel den Verlegewerkstoff eines anderen Fabrikats (wie Grundierung, Spachtelmasse, Kleber), welches deutlich billiger ist, zu verwenden, obwohl dieser nicht ausgeschrieben ist. Dies stellt per se sofort einen Mangel dar, unabhängig von der Frage, ob die Gebrauchstauglichkeit oder die Funktionalität beeinträchtigt ist. Allein aufgrund der Abweichung vom vertraglichen Systemaufbau liegt ein Mangel gemäß § 633 Abs. 2 BGB vor. Der Gesetzeswortlaut ist hier eindeutig. Hiervon kann die Rechtsprechung nicht abweichen. Dasselbe gilt für den Mangelbegriff nach § 13 Abs. 1 Satz 2 VOB/B. Dieser Mangelbegriff orientiert sich an dem BGB. Deshalb wird der Auftragnehmer bei Abweichungen vom Leistungsverzeichnis, selbst wenn diese keinen technischen Mangel zur Folge haben, nie seinen gesamten Werklohnanspruch realisieren können. Es soll nochmals darauf hingewiesen werden, dass jede Abweichung vom Leistungsverzeichnis unbedingt mit dem Auftraggeber vereinbart werden sollte. Aus Beweisgründen ist eine schriftliche Vereinbarung hierüber zwingend erforderlich. Eine solche Vereinbarung nur mit dem Architekten ist nicht ausreichend. Der Auftragnehmer setzt sich sonst der Gefahr aus, sein erbrachtes Werk komplett rückzubauen und noch einmal neu herzustellen. Ein solches Risiko muss auf jeden Fall vermieden werden.
Mithin stellt die Verletzung von Herstellervorschriften, die ausdrücklich oder schlüssig zwischen den Parteien vereinbart sind, einen Mangel dar. Dies entspricht der Mangelsystematik des Werkvertragsrechts. Nach § 633 Abs. 2 BGB ist allein die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit rechtlich zur Mangelbestimmung entscheidend.
Es gibt jedoch noch andere Fallgruppen, die bei Abweichung von Herstellervorschriften zu einem Mangel führen können. Diese Fallgruppen sind nicht so offensichtlich und können für den Auftragnehmer unangenehme rechtliche Konsequenzen haben, selbst wenn der Auftragnehmer der Auffassung ist, dass er nach den Regeln der Technik alles richtig gemacht hat.
Hierzu gehört zum einen die Fallgruppe (1), dass der Auftraggeber der Gefahr ausgesetzt wird, die Herstellergarantie zu verlieren. Eine entgegen den Vorgaben des Herstellers vorgenommene Ausführung stellt dann einen Mangel dar, wenn der Auftraggeber dadurch Gefahr läuft, die Herstellergarantie zu verlieren. Das setzt jedoch voraus, dass der Hersteller in seinen technischen Merkblättern klar und deutlich darauf hinweist, dass eine Abweichung von der Verlegeanleitung zu einem Verlust der Herstellergarantie führt. Diese Formulierung findet sich nur selten. Vielmehr wird oftmals in Klauseln formuliert, dass bei einer unsachgemäßen Verlegung die Herstellergarantie nicht gewährt wird. Dabei handelt es sich um eine bloße Allgemeine Geschäftsbedingung des Herstellers und nicht um eine Garantieerklärung. Denn bei Auslegung der Klausel hängt die Garantie eben nicht von der Einhaltung der Verlegeanleitung, sondern nur von der sachgemäßen Verlegung ab. Wenn eine sachgemäße Verlegung erfolgt ist, hierbei jedoch die Herstellervorschriften verletzt wurden, so bleibt die Herstellergarantie nach dieser Klausel trotzdem bestehen. Die Herstellergarantie ist damit nicht abhängig von der Einhaltung der Herstellervorschriften. So hat das Oberlandesgericht Köln entschieden. Jedoch sollte sich der Auftragnehmer auf so dünnes Eis nicht begeben, da andere Gerichte zu einer anderen rechtlichen Einschätzung kommen könnten. Es geht um die Auslegung von Klauseln, was eine Wertungsfrage ist. Hierbei begibt man sich unweigerlich in die Hände des Gerichts mit ungewissem Ausgang.
Die weitere Fallgruppe (2) aus der aus einer Abweichung von Herstellervorschriften ein Mangel entstehen kann, ergibt sich daraus, wenn sich durch die Abweichung von den Herstellervorschriften das Risiko erhöht, dass der geschuldete Erfolg nicht erreicht wird. Das ist der Fall, wenn Ungewissheiten über die Risiken des Schadenseintritts bestehen. Dies wird ohne Sachverständigenbeweis nicht aufzuklären sein.
Mithin begibt sich der Auftragnehmer bei Abweichung von den Herstellervorgaben wiederum in die Hände eines gerichtlich bestellten Sachverständigen, der den Ausgang des Rechtsstreits entscheiden wird. In einem Fall des OLG Köln, Urteil vom 20.07.2005 – 11 U 96/04 hat dieses glücklicherweise zu Gunsten des Auftragnehmers (hier: Bodenleger) entschieden, der die Verlegevorschriften des Herstellers hinsichtlich des Stirnversatzes nicht eingehalten hat. Der Auftraggeber sah in der Nichteinhaltung der Verlegevorschriften zum Stirnversatz einen Mangel des Parkettbodens und bestand auf Neuverlegung.
Das Landgericht und danach das Oberlandesgericht Köln haben nach Einholung von verschiedenen Sachverständigengutachten die Klage abgewiesen. Denn die Sachverständigen sind in ihrem Gutachten übereinstimmend zu der Auffassung gekommen, dass der Parkettboden fehlerfrei verlegt wurde. Darüber hinaus sind die Sachverständigen übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen, dass bei dem streitgegenständlichen Parkettboden, der bereits seit vier Jahren mangelfrei gelegen hat, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch zukünftig nicht mit einem Mangel infolge der Unterschreitung des vom Hersteller empfohlenen Mindestversatzes zu rechnen ist. Somit hat das Oberlandesgericht diese Fallgruppe der Ungewissheit über die Risiken des Gebrauchs rechtlich ausgeschlossen, da die Sachverständigen in technischer Hinsicht zu dem Ergebnis gekommen sind, dass ein Mangel zukünftig nicht eintreten wird. Das Oberlandesgericht Köln hat in seiner Entscheidung deutlich dargestellt, dass der Mangel nicht in dem Verstoß gegen die Herstellervorschriften als solchen zu sehen ist, sondern sich der Mangel aus der Risikoungewissheit ergeben muss. Denn der Werkunternehmer schuldet ein auf Dauer mangelfreies, zweckgerechtes Werk, das den Regeln der Technik entspricht.
Wenn ein solcher zukünftiger Schadenseintritt durch Sachverständigenbeweis ausgeschlossen werden kann, so entspricht das von dem Auftragnehmer ausgeführte Werk auf Dauer den Regeln der Technik. An einer Risikoungewissheit fehlt es dann.
Jedem Auftragnehmer soll jedoch vor Augen geführt werden, dass nur der Sachverständigenbeweis zu dieser Entscheidung zu seinen Gunsten geführt hat. Es bestehen auch andere Entscheidungen von Obergerichten, wie dem OLG Schleswig, Urteil vom 12.08.2004 – 7 U 23/99 oder dem OLG Brandenburg, Urteil vom 18.06.1999 – 4 U 166/98, in denen durch die Gerichte eine Risikoungewissheit durch Sachverständige bejaht wurden, da die gerichtlich bestellten Sachverständigen in ihren Gutachten ein zukünftiges Risiko bejaht haben. Diese beiden Entscheidungen betreffen das Gewerk Wärmedämmverbundsystem und das Gewerk Oberflächenbeschichtung.
Daraus kann man ersehen, dass Rechtssicherheit nicht gegeben ist, insbesondere ist die Frage nach der Risikoungewissheit eines Schadenseintritts eine Wertungsfrage, die unterschiedlich von den jeweiligen gerichtlich bestellten Sachverständigen beantwortet werden dürfte. Einer solchen Risikoprognose, die Dritte abgeben, sollte sich der Auftragnehmer nicht aussetzen.
Andere Obergerichte entscheiden strenger. Bereits bei bloßer Abweichung von den Herstellervorgaben liegt eine Vermutung der Mangelhaftigkeit der Sache vor. Dabei kommt es auf eine technische Gleichwertigkeit, die Auftragnehmer immer wieder als Argument ins Feld führen, nicht an. Um diese Vermutung zu widerlegen, muss der Unternehmer beweisen, dass dem Werk als Folge der Abweichung auch künftig kein gesteigertes Mangelrisiko anhaftet. Der Auftragnehmer hat dann die alleinige Beweislast. Dieser Beweislast kann er nur durch Sachverständigenbeweis mit fraglichem Ausgang nachkommen.
Tipp: Mithin führt die Nichteinhaltung von Herstellervorschriften zu unüberschaubaren Risiken für den Auftragnehmer. Ziel des Auftragnehmers bei seiner Tätigkeit muss die rechtliche Risikominimierung sein. Eine solche Risikominimierung erfolgt nicht dadurch, dass der Auftragnehmer, aus welchen Gründen auch immer, von den Herstellervorschriften abweicht.