In der multikulturellen Gesellschaft sind binationale Ehen normal und alltäglich. Was aber im täglichen Leben einfach ist und oft nach den Landessitten des Landes in dem man lebt abläuft, ist in Fragen des Erbrechtes komplizierter.
I. Binationale Familien:
In der binationalen Ehe haben beide Ehepartner verschiedene Staatsangehörigkeiten. Der Deutsche ist mit einer Französin verheiratet, der Spanier mit einer Deutschen. Oder der Engländer ist mit einer Französin verheiratet und lebt in Deutschland. Welches Erbrecht gilt: Das Recht der eigenen Staatsangehörigkeit oder das des Partners? Oder das Recht des Landes, in dem man lebt? Gelten für den Erbfall beider Eheleute verschiedene Rechtsordnungen?
Was gilt bei einem ausländischen Ehepaar, bei dem beide zwar die gleiche Staatsangehörigkeit haben, aber in einem anderen Land leben? Beispiel: Ein türkisches Ehepaar lebt in Deutschland. Gilt hier deutsches oder türkisches Erbrecht?
Wie soll man ein Testament errichten, seine Nachfolge planen, wenn nicht klar ist, welche Rechtsordnung überhaupt gilt? Was soll geschehen soll, wenn einer der Ehepartner stirbt. An die Kinder ist zu denken, an Enkelkinder, aber auch daran, wie der Ehepartner abgesichert werden soll.
Die Beantwortung dieser Fragen hängt davon ab, welche Staatsangehörigkeit die Ehepartner haben und in welchem Land sie leben.
Beispiele:
Der Ehemann ist Engländer, die Ehefrau Deutsche. Beide leben seit Jahrzehnten in Deutschland.
Verstirbt die Ehefrau, gilt deutsches Erbrecht. Grund dafür ist nicht ihre Staatsangehörigkeit, sondern die Tatsache, dass sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Seit dem 17.08.2015 gilt die neue EU- Erbrechtsverordnung. Danach gilt das Recht des Staates, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Vor dem 17.08.2015 war die Staatsangehörigkeit entscheidend.
England befindet sich zurzeit noch in der EU, hat jedoch die EU- Erbrechtsverordnung nicht unterschrieben. Deutsche Gerichte werden die EU- Erbrechtsverordnung anwenden. Die deutschen Gerichte sind normalerweise dann zuständig, wenn es um Vermögen in Deutschland geht. Wenn der englische Ehemann verstirbt, werden die deutschen Gerichte das deutsche Erbrecht anwenden.
England ist ein sogenannter Mehrrechtsstaat. Die Ausführungen betreffen nur England und Wales. In Schottland und Nordirland gilt wiederum ein anderes Erbrecht.
Das englische Recht unterscheidet zwischen beweglichen Vermögen und Immobilien.
Für das bewegliche Vermögen gilt das Recht des „domicil“. Das „domicil“ ist ähnlich dem gewöhnlichen Aufenthalts, wenn auch nicht deckungsgleich. Folge: Die englischen Gerichte wenden für das in England befindliche Bankvermögen der Eheleute englisches Erbrecht an.
Für die Immobilien gilt das Recht des Landes, in dem die Immobilie liegt. Für in Großbritannien liegende Immobilien wenden die englischen Gerichte deshalb englisches Erbrecht an. Stirbt die Ehefrau und hinterlässt Vermögen in Deutschland und England, gilt für ihren Erbfall deutsches und englisches Erbrecht. Das Gleiche gilt bei Versterben des Ehemannes.
Nach der in Großbritannien geltenden gesetzlichen Erbfolge erbt der Ehegatte neben den Kindern alle persönlichen Gegenstände wie z.B. Hausrat, Auto und persönlichen Schmuck sowie eine festgelegte Summe, die zurzeit 250.000 englische Pfund beträgt. Der verbleibende Nachlass wird in zwei Hälften geteilt. Die eine Hälfte steht dem Ehegatten zur Verfügung. Er enthält aus diesem Nachlassteil dessen Zinsen oder Mieteinnahmen. Die andere Hälfte erhalten die Abkömmlinge zu gleichen Teilen.
Die kroatische Ehefrau lebt mit ihrem schwedischen Ehemann seit Jahrzehnten in Deutschland. Welches Erbrecht gilt?
Verstirbt die kroatische Ehefrau, gilt nach der EU- Erbrechtsverordnung kroatisches Erbrecht. Das gleiche gilt für den schwedischen Ehemann. Auch für ihn gilt nach der EU- Erbrechtsverordnung deutsches Erbrecht.
Beide Eheleute haben jedoch nach der EU- Erbrechtsverordnung das Recht, ihr Heimatrecht zu wählen. Der Schwede kann also eine Rechtswahl treffen, nach der für seinen Erbfall schwedisches Erbrecht gilt und die kroatische Ehefrau kann eine Rechtswahl treffen, nach der für ihren Erbfall kroatisches Erbrecht gilt.
Ohne eine Rechtswahl gilt jedoch für beide Eheleute das deutsche Erbrecht.
Die Spanierin lebt mit ihrem polnischen Ehemann seit Jahrzehnten in Deutschland.Welches Erbrecht gilt?
Es gilt das gleiche Erbrecht wie beim Schwedisch- kroatischen Ehepaar oder zum Beispiel bei einem Norwegisch- portugiesischem Ehepaar.
Das deutsche Erbrecht gilt auch für das in Kroatien bzw. Schweden belegene Vermögen. Die dortigen Gerichte wenden ebenfalls deutsches Erbrecht für diese Erbfälle an.
Beide Eheleute haben die türkische Staatsangehörigkeit und leben seit Jahrzehnten in Deutschland.Welches Erbrecht gilt?
Für deutsch- türkische Erbrechtsfälle gilt das deutsch- türkische Nachlassabkommen vom 28.05.1929. Dieses Nachlassabkommen ist vorrangig vor der EU- Erbrechtsverordnung zu beachten. Das Nachlassabkommen unterscheidet zwischen beweglichem Vermögenund Immobilien:
- Für bewegliches Vermögen gilt das Recht des Landes, dessen Staatsangehörigkeit der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes hatte.
- Für das unbewegliche Vermögen gilt das Recht des Landes, in dem sich das unbewegliche Vermögen befindet.
Für Bankvermögen in der Türkei gilt somit das türkische Erbrecht, ebenso für das Bankvermögen in Deutschland.
Besitzen die Eheleute ein Haus in der Türkei, so unterliegt dies ebenfalls türkischem Erbrecht. Für Immobilien in Deutschland gilt dagegen deutsches Erbrecht.
Eine Rechtswahl, nach der das Ehepaar bestimmen könnte, ob für seinen Nachlass deutsches oder türkisches Erbrecht anwendbar ist, ist leider nach dem Nachlassabkommen nicht möglich. Auch das türkische Recht lässt keine Rechtswahl zu. Nach der EU- Erbrechtsverordnung ist jedoch eine Rechtswahl möglich. Diese würde nur von den deutschen Gerichten, nicht jedoch von den türkischen Gerichten anerkannt werden.
Ganz anders wäre die Rechtslage zum Beispiel bei einem italienischen Ehepaar mit dauerhaftem Wohnsitz in Deutschland. Hier würde für seinen Erbfall nach der EU- Erbrechtsverordnung einheitlich deutsches Erbrecht angewandt werden.
Dies gilt natürlich auch umgekehrt: Für ein deutsches Ehepaar mit gewöhnlichem Aufenthalt in Spanien gilt spanisches Erbrecht. Dies kann durch eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Erbrechts verhindert werden.
Vor allem möchte man Klarheit schaffen und will nicht, dass die Hinterbliebenen um das Erbe streiten. Man möchte, dass es gerecht und fair zugeht. Doch leider geht das nicht von allein. Der Erbfall bei einer binationalen Familie ist kompliziert. Hier hilft nur, rechtzeitig vorzusorgen, sich umfassend zu informieren und seinen Willen klar zu formulieren.