Was tun, wenn das Testament verschwunden ist? Welche Möglichkeiten und Regelungen haben Erben, Ansprüche ohne Schriftstück zu beweisen oder gar durchzusetzen?
Ein persönliches Testament gibt Aufschluss über den letzten Willen des verstorbenen Erblassers. Doch was passiert, wenn das Testament verschwunden ist? Welche Möglichkeiten und Regelungen haben Erben, ihren Anspruch ohne das entsprechende Dokument zu beweisen oder gar durchzusetzen?
Um das Vorgehen zu veranschaulichen, hat greifen wir im Folgenden eine Situation aus dem Kanzleialltag heraus. Ein just verstorbener Partner, ein plötzlich fehlendes Testament und schwierige innerfamiliäre Verhältnisse - die Mandantin sucht Rat und Rechtsbeistand.
Mandantin: Mein Partner war in erster Ehe verheiratet. Er hatte zwei Kinder, mit denen ich mich gar nicht verstanden habe. Nach seiner Scheidung haben wir uns kennen gelernt. Er war nicht gesund, wollte in jedem Fall mich absichern und hat ein handschriftliches Testament verfasst, in dem er mich als seine Alleinerbin einsetzte. Nach seinem Tod waren die Kinder bei mir zum Kaffee zu Besuch. Seiner Schwester hat mein Partner erzählt, dass er mich zur alleinigen Erbin eingesetzt hat. Was soll ich nur tun. Die Schwester meines Partners riet mir, mich bei einem Fachanwalt für Erbrecht beraten zu lassen.
MN: Das ist selbstredend eine missliche Situation, da Sie nur mit dem Original des Testaments nachweisen können, dass Sie die alleinige Erbin Ihres Partners sind. Da Sie das Testament gelesen haben, können Sie gegenüber dem Nachlassgericht bezeugen, dass Sie es gesehen und sich genau daran erinnern können, was Inhalt des Testaments war. Zudem müssten Sie auch glaubhaft machen, dass Ihr Partner nicht den Willen hatte das Testament zu vernichten oder zu zerstören. Zwar kann auch die Schwester Ihres Partners bezeugen, dass er ihr am Telefon gesagt hat, dass er Sie zur Erbin eingesetzt hat, aber das ist kein Beweis, sondern nur ein Indiz. Der Nachweis der Rechtsnachfolge ohne das Original eines Testaments ist äußerst schwierig und muss den Richter des Nachlassgerichts mit einer hohen Wahrscheinlichkeit überzeugen. Sofern das Testament nicht aufgefunden wird, werden die Kinder Ihres Partners ein großes Interesse daran haben, als gesetzliche Erben zu ½ die Erbschaft antreten zu können, wenn der Nachweis nicht geführt werden kann.
Mandantin: Ach ja, die Kinder waren ja nach seinem Tod bei mir zu Besuch. Vielleicht haben die das Testament meines Partners in der Wohnung gefunden und heimlich mitgenommen.
MN: Das ist nur eine Vermutung, aber kein Beweis. Denken Sie nach - als Ihr Partner sein handschriftliches Testament verfasste, hat er danach irgendetwas unternommen, um seinen Willen zu sichern? Hat er Kopien vom Testament gemacht oder hat er danach jemanden aufgesucht, die Schwester oder einen Freund vielleicht? Wenn die Kinder das Testament an sich genommen haben, wären sie verpflichtet, dieses beim Nachlassgericht abzugeben. Die Nichtabgabe wäre sogar eine strafbare Handlung, in der Form der Urkundenunterdrückung. Aber wenn sie es genommen haben, werden sie die Abgabe nur vornehmen, wenn sie Reue zeigen, was unwahrscheinlich ist.
Mandantin: So gut war das Verhältnis zur Schwester nicht, aber er sprach immer mal wieder von einen alten Schulfreund, zu dem er großes Vertrauen hatte. Soll ich den mal anrufen?
MN: Ja gut, lassen Sie uns in 14 Tagen wieder treffen, ich werde in der Zwischenzeit Akteneinsicht in die Nachlassakte beim zuständigen Amtsgericht nehmen.
MN: Das könnte eine Wende in Ihrem Fall bedeuten. Ich habe die Nachlassakte eingesehen, die Kinder haben beim Nachlassgericht einen Antrag auf Ausstellung eines Erbscheins gestellt, nach dem die gesetzliche Erbfolge Anwendung findet und die Beiden als Erben zu je ½ ausgewiesen werden. Diesem Antrag müssen wir entgegentreten und einen weiteren Antrag stellen, dass Sie auf der Grundlage der Kopie des Testaments die alleinige Erbin sind.
Mandantin: Aber Sie haben doch gesagt, dass ich nur mit der Hilfe des Originals Erbin werden kann.
MN: Ja, das stimmt, aber es gibt eine Rechtsprechung der Oberen Landesgerichte, dass ausnahmsweise auch die Vorlage einer Kopie ausreichen kann, um die Rechtsnachfolge zu beweisen, allerdings muss das erkennende Gericht die Übereinstimmung der Kopie mit dem verschwundenen Original im Rahmen einer Beweisaufnahme kritisch prüfen. Dabei wird die Zeugenaussage des Freundes und der Schwester eine gute Unterstützung sein. Die Aussichten stehen damit nicht schlecht. Aber bedenken Sie, eine Garantie für das Ergebnis kann ich Ihnen nicht geben.
Mandantin: Gut, das verstehe ich, aber Sie haben mir die Sach- und Rechtslage so verständlich gemacht, dass ich den Antrag beim Nachlassgericht stellen möchte.
Machen Sie nicht ein handschriftliches Testament, ohne darüber nachzudenken, wie sie den Erhalt der Urkunde sichern können, denn der testamentarische Erbe wird sich freuen, welche rechtlichen Auseinandersetzungen dann auf ihn zukommen.
Fertigen Sie ein Doppel des Testaments, was unproblematisch ist, wenn es kurz verfasst ist. Sollte es länger sein, denken Sie vielleicht daran, das alte Blaupausenpapier unter das Original zu legen. Die Blaupause ist auch ein Original, weil es Ihre Handschrift ist.
Bewahren Sie ein Testament nicht in einem Tresor oder Schließfach einer Bank auf, weil der Erbe da ohne die Kenntnis der Kombination oder einer Legitimation bei der Bank an das Testament herankommt.
Die Aufbewahrung eines Doppels bei einem Freund, Steuerberater oder Rechtsanwalt mag ein Vertrauensbeweis sein, aber Freundschaften können sich ändern und Steuerberater und Rechtsanwälte können vorversterben.
Das Beste ist, Sie vereinbaren bei dem für Sie zuständigen Amtsgericht an Ihrem Wohnort einen Termin bei der Testamentsabteilung, bringen das Testament, Ihren Ausweis und Ihre Geburtsurkunde mit und hinterlegen das Testament für eine Gebühr von 75,00 € mit der Meldung an das Zentralregister für Testament mit einer weiteren Gebühr von 15,00 €. Ihr Testament kann danach nicht mehr abhandenkommen oder durch Feuer und Wasser zerstört werden. Sie können es jederzeit wieder herausholen, es vernichten, Stellen streichen mit Handzeichen, ändern oder ergänzen. Aber Ihr Wille bleibt in jedem Fall erhalten.